Balken- und Kreisdiagramme
Dokument

Umfrage

Wasserstoffwirtschaft 2030/2050: Ziele und Wege

Deutschland hat sich das Ziel gesetzt, bis 2045 als erfolg­reiche Industrie­nation klima­neutral zu wirt­schaften. Dabei wird Wasser­stoff aus erneuer­baren Ener­gien eine ent­schei­dende Rolle spielen. Mit dem Auf­bau einer Wasser­stoff­wirt­schaft bieten sich ver­schiedene Chan­cen, die über die Reduk­tion von Treib­haus­gasen hinaus­gehen: Die Produk­tion und der Export von Wasser­stoff­technolo­gien rund um Erzeugung, Speicher­ung, Tran­sport und An­wen­dung können zum Motor für wirt­schaft­lichen Erfolg werden. Der Bedarf an neuen Techno­lo­gien kann neue Forschungs­felder er­schließen. Wasser­stoff kann auch dazu bei­tragen, die Energie­ver­sor­gungs­sicher­heit zu er­höhen und die inter­natio­nale Energie­importab­hängig­keiten Deutsch­lands zu diversi­fi­zieren. Im Zuge der Trans­forma­tion des Energie­sys­tems kann außer­dem die Sozial­ver­träg­lich­keit besondere Auf­merk­sam­keit erhalten.

All diese Chancen haben die Befragten unserer Um­frage mit dem Auf­bau einer deutschen Wasser­stoff­wirt­schaft ver­knüpft. Davon aus­gehend wollten wir durch die Um­frage unter anderem er­fahren, welche Fak­toren für den Auf­bau einer Wasser­stoff­wirt­schaft als beson­ders fördernd oder auch hem­mend er­achtet werden. Gefragt haben wir außer­dem nach not­wendigen Maß­nahmen mit Blick auf die gesell­schaft­liche Akzep­tanz. Auf­grund der zentralen Be­deutung der genannten Aspekte für die Politik haben wir dieses Kurz-Dossier zusammen­ge­stellt. Darüber hin­aus liefert die Um­frage zahl­reiche weitere interes­sante Ergeb­nisse, die voll­um­fäng­lich in einem Gesamt­bericht ein­ge­flos­sen sind (Publi­kation im März 2022). Ins­ge­samt nahmen 596 Personen, mehr­heit­lich aus Wissen­schaft und Wirt­schaft, aber auch aus den Be­reichen Ver­waltung und Zivil­gesell­schaft, an der Be­fragung teil.

Da einige Fragen über­sprungen werden konnten, geben wir zu jeder Frage die Anzahl n der Ant­worten an. In wenigen Fällen unter­scheiden sich die Meinun­gen unter den Befragten signi­fi­kant. Hier schlüs­seln wir die Ant­worten nach den folgenden vier Gruppen von Be­fragten auf: öffent­liche Ver­waltung, Wissen­schaft, Klein- und mittel­­stän­dische Unter­nehmen sowie Groß­unter­nehmen. Diese Befragten machen 92 Prozent der Umfrage­teil­nehmen­den aus. Die Ant­worten der rest­lichen 8 Prozent der Be­fragten aus Wirt­schafts­förder­ung, Unter­nehmens­ver­bänden, Nicht­regier­ungs- oder son­stigen Organi­sationen sind Teil der Ant­worten der gesamten Befragten.

 

Weiterbildung und Vernetzung

Wir haben die Teil­nehmenden gefragt, wie not­wendig die Aus- und Weiter­bildung von Fach­kräften und die Ver­netzung von Akteur­*innen auf natio­naler, euro­päischer und inter­natio­naler Ebene ihrer Mein­ung nach ist. In Bezug auf diese vier Aspekte herrscht große Einig­keit: Je­weils mehr als achtzig Pro­zent der Be­fragten sehen eine zumin­dest bedingte Not­wendig­keit, wobei ein deut­lich höherer Anteil der Be­fragten die Aus- und Weiter­bildung von Fach­­kräften ohne Ein­schränk­ung als not­wendiger erachten als die Ver­netzungs­aktivi­täten (vgl. Abbildung 1).

In einem zweiten Schritt wurden die­jenigen, die eine Maß­nahme mit mindes­tens neutral be­wertet haben, nach der not­wendigen Dring­lich­keit dieser Maß­nahme befragt. Auch in diesem Punkt herrscht relative Einig­keit: Die deut­liche Mehr­heit der Be­fragten sieht in allen vier Fällen einen Umsetzungs­be­darf bis 2025. Lediglich bei der Ver­netzung auf inter­natio­naler Ebene wird etwas mehr Zeit einge­räumt: Hier sehen immerhin 17 Prozent einen Zeit­rahmen bis 2030. Dabei gibt es auch signifikante Unter­schiede zwischen den einzelnen Akteur­*innen: Mehr als drei Viertel der Befragten aus Groß­unter­nehmen sagen, dass sich die natio­nalen Netz­werke bereits 2022 bilden müssen, wohin­gegen Vertreter­*innen der öffent­lichen Ver­waltung (vgl. Abbildung 2b und 2d) an­teilig einen dring­licheren Bedarf bei der Ver­netzung auf euro­päischer Ebene sehen.

In dem Wunsch nach Ver­netzung spiegelt sich die Größe der Her­aus­forder­ung wider. Eine klima­neu­trale Welt lässt sich umso leichter und schneller erreichen, je ko­ordi­nierter gemein­same Lösungen gefunden und umge­setzt werden. Ob beim Auf­bau von groß­flächigen Ver­teil­infra­strukturen, der klima­neu­tralen Her­stel­lung oder der Speicher­ung von Wasser­stoff — über­all sind eine Viel­zahl von unter­schied­lichen Akteuren an einen Tisch zu bringen.

Wettbewerbsfähigkeit und Koordination

Der mittler­weile auch öffent­lich geführte Dis­kurs über die heraus­ragende Bedeutung von Herkunfts­nach­weisen von Energie­trägern, zum Beispiel in der EU-Taxo­nomie, spiegelt sich in den Umfrage­ergeb­nissen wider. Unter den Faktoren, die die wirt­schaft­liche Wett­bewerbs­fähig­keit fördern, und unter denen, welche der strate­gischen bundes­weiten Ko­ordi­nation dienen, waren für die Teil­nehmen­den die Her­kunfts­nach­weise für klima­neu­tralen und CO2-armen Wasser­stoff der wichtigste Faktor (für 83 Prozent der Be­fragten mindes­tens bedingt not­wendig, vgl. Abbildung 3). Auch weitere struktur­elle Maß­nahmen, wie etwa die Änder­ung oder Be­freiung von den staat­lich indu­zierten Preis­bestand­teilen (SIP) des Stroms für die Wasser­stoff­er­zeu­gung (79 Prozent) oder auch staat­liche Zu­schüsse und Dar­lehen für Wasser­stoff­projekte (77 Prozent), werden von einem Groß­teil der Teil­nehmenden befürwortet.

Während fast zwei Drittel der Teil­nehmen­den (63 Prozent) einen CO2-Preis von 100 Euro pro Tonne für not­wendig oder bedingt not­wendig er­achten (vgl. Abbildung 3), sehen das bei einem CO2-Preis von über 300 Euro pro Tonne nur noch etwas mehr als ein Drittel der Be­fragten so. Für nicht oder kaum not­wendig halten aller­dings auch nur 25 Prozent der Be­fragten diesen höheren CO2-Preis.

Ebenfalls ver­gleichs­weise groß sind die An­teile an Be­fragten, die der struktur­ellen Unter­stütz­ung von Hydro­gen Purchase Agree­ments (HPA) neutral gegen­über­stehen (24 Prozent) oder diese als bedingt not­wendig (34 Prozent) statt not­wendig erachten. Dieser Sach­verhalt ist des­halb inter­es­sant, da andere struktur­elle Förder­maß­nahmen von durch­aus größeren Anteilen an Be­fragten als not­wendig ein­ge­schätzt wurden.

Die Abbildungen 4 und 5 ver­deut­lichen, für wie dringlich die Be­fragten die Um­setz­ung dieser Maß­nahmen halten. Die betref­fende Frage wurde jeweils nur den Teil­nehmen­den vor­ge­legt, welche die ent­sprechen­de Maß­nahme als neutral bis not­wendig be­wertet hatten. In Ab­bildung 4 sind solche Maß­nahmen dar­gestellt, für die mindes­tens drei Viertel der Teil­nehmen­den eine Um­setzung bis spätes­tens 2025 als not­wendig er­achten. Neben den 4 wichtigsten Maß­nahmen zählen hier­zu auch eine über die CAPEX-Förder­ung hinaus­gehende OPEX-Förder­ung sowie ein CO2-Preis von min­destens 100 Euro pro Tonne.

Mindestens die Hälfte der Be­fragten aus öffent­licher Ver­wal­tung und Groß­unter­nehmen er­warten noch schnelleres Handeln: Die Um­setzung von Herkunfts­nach­weisen (Abbildung 4c) sowie einer über eine CAPEX- hinaus­gehende OPEX-Förderung (Abbildung 4d) müssten aus Sicht dieser Teil­gruppen bereits im Jahr 2022 erfolgen.

Für alle genannten Maß­nahmen wird eine Um­setzung bis spätestens 2030 erwartet (Abbildung 5), wobei die Ergeb­nisse unter­schied­lich deut­lich aus­fallen. Die Ein­­führung eines CO2-Preises von mindestens 300 Euro pro Tonne bis 2030 halten nur 66 Prozent für not­­wendig, die vollständige Dekarboni­sierung muss laut 57 Prozent der Befragten bis 2030 abge­­schlossen sein. Im Fall aller weiteren Maß­­nahmen sehen min­destens 79 Prozent die Not­wendig­keit, sie bis 2030 abzu­­schließen. Wieder interes­sant sind hier die Meinungen zu der struktur­ellen Unter­stützung von Hydrogen Purchase Agreements. Es zeichnet sich ein deutlicher Unterschied in der Einschätzung der Dring­lich­keit von HPA zwischen Befragten der öffentlichen Ver­waltung (82 Prozent dieser Teil­gruppe erwarten eine Um­setzung bis spätestens 2025) und Wissen­schaftler­*innen (nur 49 Prozent der befragten Wissen­schaftler*innen sprechen sich für diesen Zeithorizont aus) ab.

Hürden und Hindernisse

Erneuer­barer Strom ist der Flaschen­hals: 59 Prozent der Befragten er­blicken in den unzu­reichen­den Flächen für Strom aus erneuer­baren Ener­gien eines der vier größten Hinder­nisse für die groß­skalige, klima­neu­trale Erzeu­gung von Wasser­stoff in Deutsch­land (Ab­bildung 6a). Aber auch die fehlende Infra­struktur für die Ver­teilung von Wasser­stoff und eine unzu­reichende Zahl von Elektro­lyseuren sehen mehr als ein Drittel beziehungs­weise ein Viertel der Be­fragten als ein großes Hindernis.

Angesichts anderer Hinder­nisse gerät die Heraus­forderung des fehlenden Fach­perso­nals hier in den Hinter­grund — nur für 6 Prozent der Be­fragten gehört dieser Punkt zu den 4 größten Hinder­nissen. An dieser Stelle sei aller­dings an die in Abbildung 1 und 2 auf­ge­listeten Ergeb­nisse erin­nert, die so­wohl die Not­wendig­keit als auch die Dring­lichkeit von Aus- und Weiter­­bildungs­maß­nahmen nahe­legen. Beson­ders vor dem Hinter­grund des Fach­kräfte­mangels könnte dies einen künftigen Eng­pass darstellen.

Auch nicht zu unter­schätzen sind Fragen der Wirt­schaft­lich­keit: 72 Prozent der Teil­nehmenden wählten mindestens eine Antwort­option aus dieser Kate­gorie. Die geringe Wirt­schaft­lich­keit auf­grund von Investi­tions- und Unter­halts­kosten wird dabei deutlich als größtes Hinder­nis gesehen, während die niedrige Wirt­schaft­lich­keit auf­grund geringer Wirkungs­grade und die langen Investitions­zyklen jeweils nur von circa zehn Pro­zent der Teil­nehmen­den als nennens­wertes Hinder­nis beur­teilt werden (Abbildung 6b).

Mehr als die Hälfte der Teil­nehmen­den (57 Prozent) sehen erheb­liche Hinder­nisse auf dem Feld der Gover­nance, ins­beson­dere wird in diesem Zusam­men­hang der fehlende Rechts­rahmen für die Gewähr­leistung der Geschäfts­modelle im Ab­schreibungs­zeit­raum ge­nannt (vgl. Ab­bildung 6c). Auch hier wurden die 3 Ant­wort­möglich­keiten in der Kategorie von min­destens 10 Prozent der Teil­nehmen­den ausge­wählt. Im Gegen­satz dazu wurden nur 2 der Hinder­nisse in der Kate­gorie For­schung und Ent­wicklung (F & E) von mindes­tens 10 Prozent der Teil­nehmen­den aus­ge­wählt (vgl. Abbildung 6d).

Akzeptanzfördernde Maßnahmen

Die Bedeutung der erneuer­baren Energien und deren Ausbau für eine erfolg­reiche Ent­wick­lung der Wasser­stoff­wirt­schaft in Deutsch­land zeigt sich auch ein­drück­lich bei den Ergeb­nissen zu not­wen­digen akzep­tanz­fördern­den Maß­nahmen (Abbildung 7). 91 Prozent der Teil­nehmen­den halten im Hin­blick auf den Aus­bau erneuer­barer Energien akzeptanz­fördernde Maß­nahmen für (bedingt) not­wendig, davon er­achten 77 Prozent der Teil­nehmen­den ent­sprechende Maß­nahmen als not­wendig ohne Bedingung.

Einige Teil­nehmende sehen auch die Not­wendig­keit, Akzeptanz­förderung für Maß­nahmen anzu­stoßen, die in Deutsch­land politisch um­stritten sind. Dazu gehören etwa die Nutzung von Kohlen­stoff­ab­scheidung und -speicher­ung (CCS) bei Er­zeu­gung von Wasser­stoff durch Dampf­reform­ierung (von 47 Prozent der Befragten als (bedingt) not­wendig be­wertetet, vgl. Abbildung 7), die Nutz­ung impor­tierten Wasser­stoffes aus Kern­kraft (30 Prozent) und die Nutz­ung von aus fossilen Quellen erzeug­tem Wasser­stoff (27 Prozent). Diese Sicht­weisen könnten darauf hin­weisen, dass die Be­fragten zumin­dest übergangs­weise eine große Lücke zwischen Wasser­stoff­bedarfen und er­warteter Verfüg­bar­keit von Wasser­stoff aus erneuer­baren ­Quellen erkennen.

Es ist aber nicht nur die Frage nach dem Ob, sondern auch die Frage nach dem Wann, die ein heraus­ragend hohes Votum erhält: Akzeptanz­fördernde Maß­nahmen für den weiteren Aus­bau erneuer­barer Energien sollten nach Meinung fast aller Teil­nehmen­der (95 Prozent) bereits im Jahr 2022 ange­stoßen werden (Abbildung 8a).

Bei der Ein­führung neuer Techno­logien ist die Akzep­tanz der breiten Bevöl­kerung wichtig. Diese ist häufig an Fragen der Sicher­heit ge­knüpft — eine Ein­stellung, die von den Teil­nehmen­den ge­teilt wird: 93 Prozent der Be­fragten sehen einen Bedarf an akzeptanz­fördernden Maß­nahmen bei Sicher­heits­fragen bis 2025 — 76 Prozent bereits für 2022 (Abbildung 8b). Ein weit­reichen­der Ein­satz von Wasser­stoff be­nötigt eben­falls eine groß­flächige Infra­struktur. Dring­lichen Bedarf an Akzeptanz­förder­ung sehen die Be­fragten auf diesem Feld eben­falls, auch wenn der Zeit­horizont hier etwas groß­zügiger be­messen wird: Immer­hin 41 Prozent ver­treten die Auf­fassung, dass die Akzeptanz­förder­ung für diese Neu­erung noch bis min­des­tens 2025 warten könne (vgl. Abbildung 8c).

Fazit

Unsere Umfrage macht deut­lich, welche Maß­nahmen die Teil­nehmen­den als beson­ders förder­lich erachten, welche Hemm­nisse aus ihrer Sicht abge­baut werden müssen und für welche dringen­den Maß­nahmen die gesell­schaft­liche Akzep­tanz er­höht werden müsste,  sofern der Auf­bau be­ziehungs­weise schnelle Hoch­lauf einer deutschen Wasser­stoff­wirt­schaft gelingen soll. Dabei fällt die hohe Dring­lich­keit auf, welche die Befragten der Um­setzung aller Maß­nahmen zu­weisen. Hier spiegelt sich wider, wie an­spruchs­voll diese vor Deutsch­land liegende Trans­formations­auf­gabe ist, welche ein extrem hohes Maß an Ko­ordi­nation, Effi­zienz und Kon­sens auf­seiten der rele­van­ten Akteur­*innen in Politik, Wirt­schaft, Wissen­schaft und Zivil­gesell­schaft erfordert.

Schlagworte


NEWSLETTER

Melden Sie sich hier für unseren Newsletter an. Er erscheint alle 6 Wochen und bietet Ihnen aktuelle Einblicke und Informa­tionen zu unseren Aktivitäten.

Kompass

PARTNER

Der Wasserstoff-Kompass ist ein Projekt von acatech und DECHEMA. Gefördert wird das Projekt vom BMBF und vom BMWK.